Samstag, 27. März 2010

Eigenrückführung

Tut mir leid, Freunde. Ich habe Euch die Sachen zwar übergeben, aber habs einfach nicht ausgehalten, sie auf dem Friedhof der namenlosen Requisiten nach und nach schwinden zu sehen. Ich weiß nicht, wie Ihr Euer Entsorgungsritual anlegt... vielleicht kommt ja noch was. Aber die Ungewissheit hat Sorge eher noch gesteigert. Und so blieb mir nichts anderes übrig als zur Selbstheilung zu greifen. Ich hab mir ein paar von den zurückgenähten Teilen geschnappt und sie an ihren Bestimmungsort zurückgebracht: H&M Filiale, Olympiazentrum; H&M Filiale, Kaufinger Straße. Sie haben sich an beiden Orten ausnehmend gut gemacht. Was für eine Erleichterung!

Dienstag, 23. März 2010

Todesstoß oder Wiederbelebung?

Nun ist es raus, das gute Stück.
Aber ER ist noch immer da. Und wie. Kehrt Abend für Abend wieder. Der Geist der Firma. Verwandelt, aber nicht verschwunden. Zwischendurch hat er ganz unerwartete Formen angenommen. Und getobt, was das Zeug hielt. Da war ich regelrecht weg.
Dabei geben die Cleanerinnen zweifellos ihr Bestes. Vielleicht liegt es daran, dass sie nicht das Letzte geben. Das Auftrennen und Rückdesignen geht überaus zäh vonstatten. Es ist noch immer kein einziges T-Shirt in einen H&M Laden zurück gebracht worden! Die Cleanerinnen scheinen eine starke Neigung zu verspüren, mit H&M gemeinsame Sache zu machen: das Angebot der Hamburger Zentrale anzunehmen, die Teile gemeinsam einem wohltätigen Zweck zuzuführen.
Würde das dem Geist der Firma nicht den endgültigen Todesstoß versetzen? Oder belebt ihn das vielmehr aufs Neue, wenn man sich so kaufen lässt, statt sich frei zu verströmen?
Hoffe, die Cleanerinnen wissen, was sie tun.

Freitag, 12. März 2010

Das weiße Rauschen

Rund 300 Bettelbriefe haben wir ausgeschickt, in denen wir um Mithilfe bei der Rueckfuehrung von Boatpeople-Teilen nach Indien, China, Bangladesh gebeten haben. Ca. 100 davon hoechstpersoenlich von Hand beschrieben und an ausgewählte Leute weitergeleitet ... Schmerzvoll das vergebliche Warten auf Antwort. Das Postfach der eigens eingerichteten Hotline (hotline@boatpeople.at) ist blütenweiß und leer.
Selbst die nimmermüden SPAMROBOTER scheinen uns zu ignorieren.
Legen die von uns angeschriebenen Personen denn überhaupt keinen Wert auf eine BOATPEOPLE-freie Welt? Es tut weh, das sehen zu müssen, darf aber nicht dazu führen, dass wir in unseren Anstrengungen nachlassen. So schnell sollten wir die Leute nicht aus der Verantwortung entlassen. Es bleibt immer noch die Möglichkeit, Ihnen hinterherzutelefonieren und sie anzubaggern, bis sie Waffen strecken. Ihnen vor Antritt Ihrer Wellness-, Kunst- und Geschaeftsreisen auf dem Flughafen aufzulauern und Ihnen unser Anliegen in der konkreten Form unserer ruehrenden redesignten Kinderklamotten aufs Auge zu drücken...

Donnerstag, 11. März 2010

Schatten der Besessenheit

Mittwoch, 10. März 2010

Lieber Blog, nimm mich in dir auf!

Auch wenn ich nicht mehr weiß auf welcher seite ich stehe. es ist passiert ich bin ein widerspruch geworden! nein mehr als das, ich fürchte der geist hat schon fast vollständig von mir besitz genommen. mit letzter kraft meldet mein cleanerinnen-ich: ich werde körpergefressen, wer weiß, ob die anderen schon hinter mein geheimnis gekommen sind, sie glauben sich umgeben von knallharten, widerstandsfähigen cleaningkolleginnen, tun sie das? oder mißtrauen sie mir so wie ich mir selbst? hilfe, hilfe hilfe! was werden sie mit mir tun, wenn sie eins und eins zusammen zählen: zuerst war da der verlust von vier kleidern! einfach aus dem fahrradanhänger gefallen und damit wieder in der welt! damals habe ich noch geglaubt, dass mir das einfach so passiert ist, eine simple persönliche unachtsamkeit, ohne bedeutung. aber dann: kaum will ich loslegen, den geist in die mangel nehmen, ihn mir vorknöpfen, da bleibt mir die stimme weg. was mache ich? ich gehe zum hals nasen ohrenarzt, oh unheilbringende ärztehörigkeit, da muss sich der geist in mir schon gebogen haben vor lachen!
dann: mein skype geständnis, ich frage mich hat johannes dicht gehalten? oder wissen jetzt alle, dass ich ein überläufer bin? ich schwöre, das waren nicht meine ureigensten cleanerinnenworte, die ich da in die kamera gesagt habe, das war nicht ich. ich zittere, ich fürchte mich, was wird noch kommen.
gestern auf der probe ein out of body erlebnis: die härtesten cleanerinnen der welt beim strategiegespräch und was passiert mit mir? mein intriganter, mir selbst entfremdeter körper mimt verständnis, im kopf: störfeuer! knistern, irgendetwas wurde gelöscht, kann mich nicht erinnern, was war nochmal mein auftrag?
sind das meine letzten lebensäußerungen? ich weiß wie unbarmherzig die cleanerzunft ist, vielleicht ist das die lösung, ich sauge den geist vollständig in mich auf und opfere mich! ich bin bereit, mäh, mäh

Nix back to Wühltisch

Thank you, the parcel sent to you by UPS Expess Saver service, and you willhave it tomorrow. Tracking no. H8068658435
Best regards
Gina


Jubel im Lager der Freibeuterinnen! Ein Teil der Rückführung ist so gut wie geschafft. Morgen kommen die von der Firma Vikada rückgenähten Kindershirts aus Litauen zu uns auf die Probe.

Ob ich sie mir gleich in die Tasche stopfe und in den H&M in der Kaufingerstraße schmuggle? Ein Auftragspunkt wäre mit Bravour erfüllt!

Ich bin so stolz auf die Reise, die diese Stoffstücke hinter sich haben:

Wie wir sie, immer im Handgepäck, unter den Argusaugen des Bodenpersonals und aufs Sorgfältigste in der blauen Sporttasche nach Litauen transportiert haben.

Wer hat die Tasche? Ist die Tasche noch da?

Wie wir Gina, die Chefin von Vikada, am Konferenztisch überredet haben, die komplizierten Unikate wieder zusammen zu nähen – von ihrer besten Schneiderin, die nur Samples macht. Hat ein Heidengeld gekostet.

Und dann das ganze hin und her im Nachhinein, die vielen Mails über Transport, Rechnung, Auslandsüberweisung, Fragen über Fragen, Gina und ich waren fast jeden Tag im Kontakt

Irgendwie habe ich überhaupt keine Lust, die kostbaren Hemdchen in den Rachen eines H&M Wühlregals zu werfen. Wo sie doch nur missachtet und von einer kaugummikauenden Verkäuferin in den Müll geschmissen werden, da nützt der umfangreiche Infobrief an H&M auch nichts.

Lieber möchte ich sie während der Performance präsentieren, Naht nach außen, im Rampenlicht, da, wo sie hingehören: schau, liebes Publikum! Fühlen Sie mal, wie viel Geschichte, wie viel Arbeit, Schweiß, Kohle, Besessenheit und Herzblut in diesem kleinen T-shirt steckt! Von der Designerin und den Praktikantinnen ganz zu schweigen. Nix back to Wühltisch. Nicht mit mir. Ich bin schließlich Piratin, ich kämpfe für die verletzten, geflickten Babyteile, zur Not auch mit dem Schwert. Oder Säbel.

Sonntag, 7. März 2010

Wir treiben aufs offene Meer

Mit den ersten aufgetrennten Outfits scheint auch aus allen übrigen Klamotten die ihnen innewohnende Kraft geschwunden zu sein. Lange ist es her, dass wir auf der Berlinale in ihnen geglänzt haben. Mühsame Arbeitstage liegen dazwischen, alle Cleanerinnen mehr oder weniger malade, Erschöpfungszustände, Kopfschmerzen, Phantasielosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, technische Geräte geben ihren Geist auf, indem sie wie von alleine aus der Hand fallen. Das kann nicht mit rechten Dingen zugehn. Irgendjemand oder irgendetwas scheint uns lahmlegen zu wollen und großes Interesse am Nichtzustandekommen des Abwicklungsvorgangs zu haben. Die Show ist gefährdet! Der Auftrag überfordert uns! Jetzt hat Johannes in Form von Skypeinterviews mit uns gesprochen, dass brachte zumindest kurzfristig Erleichterung. Wenigstens er interessiert sich für unsere Qualen, zumindest literarisch kann er sie eventuell umwandeln und uns eine Stimme geben. Ich spreche kein privates Wort, eher sterbe ich stumm neben dem blauroten Superwomankleid.

Freitag, 5. März 2010

Verschollenes Videomaterial

Über ein paar Ecken erreicht mich gerade die Nachricht, dass wertvolles Videomaterial – Aufnahmen von der letzten Wiener Aufführung – verschollen ist. Ich frage mich bange, was das bedeutet. Ist es nun der sachkundigen Entsorgung für immer entzogen? Oder können wir es als bereits entsorgt betrachten?
Um meiner Seelenruhe willen, habe ich beschlossen, einfach letzteres anzunehmen. Wie könnten wir sonst je auf Versöhnung hoffen? Auf alle Fälle muss sichergestellt werden, dass hier nicht etwas heimlich zurückgehalten wird. Wir benötigen dringend eine offizielle Beglaubigung von superjeans, dass die DVD wirklich verloren ist! Ich flehe Euch an, bekniet sie.

Dienstag, 2. März 2010

Bekenntnis

Im Prozess der Produktion wird mir klar, dass ich meine Cleanertätigkeit nur halbherzig betreibe. Wo ist sie hin die Begeisterung, die Hingabe und der Glaube, etwas bewegen zu können. Ich fühle mich schwach, all den Produktionsbedingungen und Anforderungen der funktionierenden Entsorgung gegenüber. Ich möchte mich bei H&M bewerben und endlich aus dem Kunstbetrieb aussteigen und einer geordneten Tätigkeit als Verkäuferin nachgehen. Meine Cleanerkolleginnen sind voll bei der Sache, sie sind kreativ und begeistert in allen Bereichen ihres Jobs. Selbst Susanne, die es schwer erwischt hat und die vom Geist enorm geplagt ist, schreibt seitenlange Emails fiebernd in ihrer Erinnerung an Berlin. Ich bin verzweifelt, wohin treiben wir?