Sonntag, 7. Februar 2010

Von Jerusalem über Akropolis in die Republik Uzupis

Wir wissen nicht, ob die Probestücke der Kollektion, die wir bei Gina und Audrone hinterlassen haben jemals wieder in unserer Hände gelangen werden. Sind unsere litauischen Mitarbeiterinnen zuverlässig, werden sie uns wirklich Produktionsangebote machen?
Wir gehen sicher und haben 2 Shirts zurückbehalten, die Rückführung muss gelingen. Was wird sie mit uns machen, wird sie Erleichterung und Erlösung von was oder welcher Schuld auch immer bringen?
Ein Ringelshirt bringen wir zu einer Näherin und lassen es sofort rücknähen. Zuerst versuchen wir es im Supermarkt Jerusalem, erfolglos, wir erwerben zwar litauischen Kräuterschnaps, aber Trikots kann die im Supermarkt angesiedelte Näherin nicht nähen. Falsche Maschine!
In Akropolis, dem nächsten Rieseneinkaufszentrum, haben wir Glück, Inga näht uns das Shirt für 30 Litas, braucht eine Stunde. Am Ende kommt noch ihr Chef Saulus, der Geschäfte machen will mit Germany, schliesslich ist er der Eigentümer von 12 kleineren Nähstuben und in der Krise läuft eben nicht alles so geschmiert.
Das Shirt ist genäht, wir verlassen glücklich Akropolis und fahren zu Alma, Indres 1 1/2 Jahre alter Tochter, die bei den Grosseltern, in der zum Wohnhaus umgebauten ehemaligen Vorstadtdatscha zu Besuch ist. Unser jüngstes Model schläft noch als wir ankommen, also setzen wir uns zuerst zu selbstgemachtem Kirschstreusel und grünem Tee. Es dauert nicht lange und Alma steigt die Wendeltreppe herab, ein grossartiger Auftritt schon jetzt. Als sie Boat People endlich trägt ist der Wonne kein Einhalt mehr zu gebieten, vergnügliches Quietschen und Kreischen, unaufhörliche Ringelspiele durch die Beine der Mama. Auch von uns fällt eine Last. Es scheint zu gelingen, wir sind in der Lage, dem schwierigen Auftrag gerecht zu werden und die Rückführung zeigt sofort Wirkung.
Den Weg zum Taksi rennen wir durch den Schnee und können gar nicht mehr aufhören zu lachen, wir lachen und lachen, weil wir so erleichtert sind, dieser Auftrag ist abgeschlossen, die erste Rückführung ist gelungen, und niemand ist auf die Katze getreten, die dick und weiß wie ein Flocati regungslos im Datschabad liegt.
Everybody has the right to be undestinguished and unknown, sagt die Verfassung der unabhängigen Republik Uzupios. Ich möchte auch für dieses Recht kämpfen, dieses Jahr kaufe ich nichts Neues zum Anziehen.
Abends essen wir vorzüglich im Saint Germain, dem besten Restaurant am Platz zwischen ausländischen Geschäftsleuten, ich hoffe, ich unterscheide mich nicht. Ja, auch die Steinpilzsuppe und die Ente müssen erwähnt werden. Wir stoßen an auf Lisa!
Später beschließen wir, den Film nicht mehr zu drehen, den Film über böse Träume und böses Erwachen, werden aber unversehens von der Kamera doch wieder verführt. Und besessen wie wir sind drehen wir nachts in Schlafanzügen einen Fashionthriller.
Der nächste Morgen bringt uns einen klaren Tag, blauer Himmel und glitzernder Schnee!

1 Kommentar:

  1. Ist das nicht, was wir uns alle erträumen? Glückliche Kinder? Aber auf wessen Kosten? So freundlich es erscheinen mag, Kinder in den Herstellerländern derart zu beglücken, so sehr schneidet das m.E. ein wichtiges Glied in der Lieferkette ab. Erst wenn die Teile dorthin zurück gelangen, wo sie hergekommen sind, kann es für mich Erlösung geben.

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