Samstag, 27. Februar 2010

der härteste cleaner lauert

München, Caritas-Mädchen-Wohnheim, sechste Etage mit Blick auf den Olympia Park. Hier liege ich, der härteste Cleaner, auf meiner gelb-rot gestreiften Bettdecke, die Ellenbogen auf die sechziger Jahre Mamorfensterbank gekauert und starre in die Ausicht. Konzentration! Ich habe einen Auftrag! In die andere Richtung dieser entsetzlichen Behausung, die mir die Organisation verpasst hat, kann ich nicht starren, denn dort schreit mich alles so bunt an, dass es mich von meinen knallharten Gedankengängen ablenken würde. Wie ist das alles zu erledigen? Wie kann man effektiv vorgehen? Ich sehe rot. Und gelb. Wenn ich hier nicht einen Job zu erledigen habe, wohnt in dieser Kemenate eine Russin. Roter Teppich - (schon wieder! der verfolgt mich!), gelbe Schränke, viele, viel zu viele Zimmerpflanzen, jahrmarktsgrosse Stofftiere in blaurot, grüngekachelte Waschbeckenecke, dutzende Farbphotos von russischen Familienmitgliedern und als Eyecatcher dazwischen ein Airbrush Hundeposter mit einem Puppy, unter dessen linkem Ohr ein kleines Kitty-Kätzchen schläft. Und noch so ein paar Girlanden aus Flitter hier und da. Kühlschrank neben dem Kopfende meines IKEA-Jugendbettes. Brumm Brumm. Künstliche Antarktis für einen kühlen Kopf? Gleich rosa Post-it-Zettel schreiben: morgen Oropax kaufen bei meiner Lieblingsapotheke in der Schleissheimer Strasse. Duschen sind auf dem Gang. Keine Badewanne. Und so soll man also Material vernichten als Cleaner. Säure gibts auch nicht, es sei denn, man benutzt den Rotwein als solche, den ich am ersten Tag im Theater diskret habe mitgehen lassen, um den Anfangs-Farb-Aufprall in meinem Appartement zu mindern. Aber immerhin muss man sagen: alles eine sehr harmlose Larve für den Härtesten aller Cleaner: mich. Nie besessen gewesen, habe ich bisher alles beobachtend verfolgt, habe mir auch brav ein weisses (!) BP- KLeid angezogen, hab auf einer Berlinale- Party rumgehopst, mit nem eitlen Hauptdarsteller parliert ("tolles Kleid, ich besorg dir nen Spot") hatte sogar, was keiner meiner Kolleginnen weiss, einen Flirt mit Richard von Weizsäcker ... aber nie, NIE! habe ich mich dieser "Oh wie schade diese Kleider sind doch sooo schön"- Sentimentalität auch nur für einen kurzen Moment hingegeben, auch wenn Lisa D. (wofür steht das D eigentlich?) das glaubt aufgrund des ominösen Zettels, den ich geschrieben habe, wo "bitte nicht auftrennen" draufsteht. Aber auch das bloss: Vorbereitung und Kalkül für kommende Taten. Vorausdenken. Was wird man schon bald brauchen? Ich bin bereit. Ich warte. Spät in Erscheinung tretend, dass sogar mein Autraggeber mit der Besessenennummerierung durcheinander kommt, bekenne ich: nein, ich bin nicht besessen und war es nie. Zeige dich nur, Geist! Ich hab mein XXL-Schmetterlingsnetz dabei! So. Jetzt wird es draussen dunkel und ich kann es wohl wagen, mir bei meinem Lieblings-NORMA in der Schleissheimer Strasse noch schnell eine Tütensuppe fürs verdiente Wochende zu kaufen.

1 Kommentar:

  1. Die Härte lässt hoffen. Wer Zimmerpflanzen, Stofftieren, Hundepostern widersteht, der kann auch Geister austreiben - oder einfangen. Da kommt Hoffnung auf.

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