Freitag, 7. Mai 2010
Rückführung Graz
Dieses und zwei weitere der wertvollen mit massenhaft Billig- und Praktikantenarbeit, vielen Tausenden Transportkilometern und jeder Menge kritischen Bewusstseins aufgeladenen Kinder-T-Shirts sind ab heute in der Grazer H&M Filiale in der Herrengasse zu finden. Also nichts wie hin, wenn Sie eins ergattern wollen, bevor es von der Geschäftsleitung entdeckt wird.
Mittwoch, 28. April 2010
Zurücknähenlassen in der Türkei
Die verwundeten Babystrampler in die Wiege der Menschheit (so sagt der eine oder andere Türke über die Türkei) zurückbringen. Ganz easy, dachte ich mir. Hab da ja Familie, mein Cousin ist sogar in der Textilbranche, der sitzt an der Quelle. Ich aber nicht. Nachdem ich von meiner Cousine über Facebook erfuhr, dass sie in zwei einhalb Monaten zum zweiten Mal Mutter wird und sie sich melden würde, sobald sie unseren Cousin zu Gesicht bekommt, empfand ich diese Aufgabe als eine Überforderung für Sie und unser Verhältnis. Ich erreiche seine Frau über den Facebook-Account meiner Schwester. Sobald ich ihm geschrieben habe, soll ich ihr Bescheid geben, da er so gut wie nie seine emails von alleine abruft. Seine Antwort ist ein verlockendes Versprechen: ich müsse ihm nur sagen, was ich „produzieren“ möchte. Hab ich.Nun, das ist mittlerweile geschehen, so viel ich weiß, gibt aber noch keine Antwort. Mal sehen. Sehnaz bleibt jedenfalls dran, sagt sie. Ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis die naechsten aufgetrennten Teile in den H&M Kreislauf zurückbefördert werden können ... Die Homepage von Sumo Tex ist übrigens ein Knüller, hoffentlich kommen wir mit denen ins Geschäft …
Sicherheitshalber bin ich seit gestern bei alibaba.com – „hier fängt globaler Handel an“ – angemeldet. Habe Hakan Karadag von der H&M Textile Agency mal eine herantastende mail geschickt. Grade hat sich mein Cousin zurückgemeldet: krieg wohl morgen ne Liste mit sämtlichen H&M Kinderware-Produzenten. Soweit er sich erinnern kann gibt es zwei große Produzenten: SUMO TEXTILE und EKPEN TEXTILE. Es geht nun endlich voran! Ich skype die Riesen morgen früh gleich an...
Montag, 26. April 2010
Samstag, 17. April 2010
Ups, I did it again
H&M Berlin, Alexanderplatz, Schönhauser Allee und Friedrichstraße. Wer ein Stück ergattern will, muss sich beeilen.
Samstag, 27. März 2010
Eigenrückführung
Dienstag, 23. März 2010
Todesstoß oder Wiederbelebung?
Aber ER ist noch immer da. Und wie. Kehrt Abend für Abend wieder. Der Geist der Firma. Verwandelt, aber nicht verschwunden. Zwischendurch hat er ganz unerwartete Formen angenommen. Und getobt, was das Zeug hielt. Da war ich regelrecht weg.
Dabei geben die Cleanerinnen zweifellos ihr Bestes. Vielleicht liegt es daran, dass sie nicht das Letzte geben. Das Auftrennen und Rückdesignen geht überaus zäh vonstatten. Es ist noch immer kein einziges T-Shirt in einen H&M Laden zurück gebracht worden! Die Cleanerinnen scheinen eine starke Neigung zu verspüren, mit H&M gemeinsame Sache zu machen: das Angebot der Hamburger Zentrale anzunehmen, die Teile gemeinsam einem wohltätigen Zweck zuzuführen.
Würde das dem Geist der Firma nicht den endgültigen Todesstoß versetzen? Oder belebt ihn das vielmehr aufs Neue, wenn man sich so kaufen lässt, statt sich frei zu verströmen?
Hoffe, die Cleanerinnen wissen, was sie tun.
Freitag, 12. März 2010
Das weiße Rauschen
Selbst die nimmermüden SPAMROBOTER scheinen uns zu ignorieren.
Legen die von uns angeschriebenen Personen denn überhaupt keinen Wert auf eine BOATPEOPLE-freie Welt? Es tut weh, das sehen zu müssen, darf aber nicht dazu führen, dass wir in unseren Anstrengungen nachlassen. So schnell sollten wir die Leute nicht aus der Verantwortung entlassen. Es bleibt immer noch die Möglichkeit, Ihnen hinterherzutelefonieren und sie anzubaggern, bis sie Waffen strecken. Ihnen vor Antritt Ihrer Wellness-, Kunst- und Geschaeftsreisen auf dem Flughafen aufzulauern und Ihnen unser Anliegen in der konkreten Form unserer ruehrenden redesignten Kinderklamotten aufs Auge zu drücken...
Donnerstag, 11. März 2010
Mittwoch, 10. März 2010
Lieber Blog, nimm mich in dir auf!
dann: mein skype geständnis, ich frage mich hat johannes dicht gehalten? oder wissen jetzt alle, dass ich ein überläufer bin? ich schwöre, das waren nicht meine ureigensten cleanerinnenworte, die ich da in die kamera gesagt habe, das war nicht ich. ich zittere, ich fürchte mich, was wird noch kommen.
gestern auf der probe ein out of body erlebnis: die härtesten cleanerinnen der welt beim strategiegespräch und was passiert mit mir? mein intriganter, mir selbst entfremdeter körper mimt verständnis, im kopf: störfeuer! knistern, irgendetwas wurde gelöscht, kann mich nicht erinnern, was war nochmal mein auftrag?
sind das meine letzten lebensäußerungen? ich weiß wie unbarmherzig die cleanerzunft ist, vielleicht ist das die lösung, ich sauge den geist vollständig in mich auf und opfere mich! ich bin bereit, mäh, mäh
Nix back to Wühltisch
Thank you, the parcel sent to you by UPS Expess Saver service, and you willhave it tomorrow. Tracking no. H8068658435
Best regards
Gina
Jubel im Lager der Freibeuterinnen! Ein Teil der Rückführung ist so gut wie geschafft. Morgen kommen die von der Firma Vikada rückgenähten Kindershirts aus Litauen zu uns auf die Probe.
Ob ich sie mir gleich in die Tasche stopfe und in den H&M in der Kaufingerstraße schmuggle? Ein Auftragspunkt wäre mit Bravour erfüllt!
Ich bin so stolz auf die Reise, die diese Stoffstücke hinter sich haben:
Wie wir sie, immer im Handgepäck, unter den Argusaugen des Bodenpersonals und aufs Sorgfältigste in der blauen Sporttasche nach Litauen transportiert haben.
Wer hat die Tasche? Ist die Tasche noch da?
Wie wir Gina, die Chefin von Vikada, am Konferenztisch überredet haben, die komplizierten Unikate wieder zusammen zu nähen – von ihrer besten Schneiderin, die nur Samples macht. Hat ein Heidengeld gekostet.
Und dann das ganze hin und her im Nachhinein, die vielen Mails über Transport, Rechnung, Auslandsüberweisung, Fragen über Fragen, Gina und ich waren fast jeden Tag im Kontakt
Irgendwie habe ich überhaupt keine Lust, die kostbaren Hemdchen in den Rachen eines H&M Wühlregals zu werfen. Wo sie doch nur missachtet und von einer kaugummikauenden Verkäuferin in den Müll geschmissen werden, da nützt der umfangreiche Infobrief an H&M auch nichts.
Lieber möchte ich sie während der Performance präsentieren, Naht nach außen, im Rampenlicht, da, wo sie hingehören: schau, liebes Publikum! Fühlen Sie mal, wie viel Geschichte, wie viel Arbeit, Schweiß, Kohle, Besessenheit und Herzblut in diesem kleinen T-shirt steckt! Von der Designerin und den Praktikantinnen ganz zu schweigen. Nix back to Wühltisch. Nicht mit mir. Ich bin schließlich Piratin, ich kämpfe für die verletzten, geflickten Babyteile, zur Not auch mit dem Schwert. Oder Säbel.
Sonntag, 7. März 2010
Wir treiben aufs offene Meer
Freitag, 5. März 2010
Verschollenes Videomaterial
Um meiner Seelenruhe willen, habe ich beschlossen, einfach letzteres anzunehmen. Wie könnten wir sonst je auf Versöhnung hoffen? Auf alle Fälle muss sichergestellt werden, dass hier nicht etwas heimlich zurückgehalten wird. Wir benötigen dringend eine offizielle Beglaubigung von superjeans, dass die DVD wirklich verloren ist! Ich flehe Euch an, bekniet sie.
Dienstag, 2. März 2010
Bekenntnis
Samstag, 27. Februar 2010
der härteste cleaner lauert
Freitag, 26. Februar 2010
Achtung baldige Lieferung aus Litauen
yours T-shirts are ready already...Vor ein paar Tagen schon hat mich Gina von Vikada informiert, dass die Sachen fertig sind. Echt verlässlich, alle beide.
Donnerstag, 25. Februar 2010
Prominentes Geschmiege
Dieses Kameragegrinse, diese scheinheilige Feilbieterei des Materials an den züchtigen Braunpullunder von Herrn P. ...
Und da! Hat der doch Herrn B.s Hand in kesse Stoffspiele verwickelt! Geschmacklos!
Warte nur Geist! Mit ihren Scheren werden sie dir zu Leibe rücken und dann wirst du ausradiert. Wir werden ja sehen, wer hier zuletzt lacht!
Mittwoch, 24. Februar 2010
Was finde ich unter den zurückgebrachten Kleidern?!
Rote Teppiche tun den Cleanerinnen gar nicht gut! Das ist Auftragsverweigerung! Du trennst das Teil jetzt selber auf!
Die Entsorgung hat schon begonnen
Es ist ein regnerischer Abend in München. Am Rand der Stadt, auf einem verlassenenen Kasernengelände, in einer schmutzigen Halle im hintersten Winkel links ist noch Licht.
Samstag, 20. Februar 2010
ich werds dir zeigen!
Freitag, 19. Februar 2010
Atemlos in Berlin
Keine Angst, es schwächelt schon
Montag, 15. Februar 2010
Auf dem roten Teppich
Samstag, 13. Februar 2010
Let's exchange business cards
Susanne und ich im Taxi auf dem Weg zur Österreichischen Botschaft, Heimat bist du großer Söhne und Töchter. Wir, die Boat People Töchter stehen jedenfalls auf der Gästeliste und landen nach langer Fahrt durch die Bundesrepublik endlich auf österreichischem Boden.
Die Bundesministerin für Unterricht und Kunst stellt die Cremedelacreme des Österreichischen Films vor und sie sagt sie hat Respekt vor uns, vor der Kunst, das ist schön, wirklich, nein, wirklich!
Das Büffet ist gigantisch, wie unsere Kleider und ich ärgere mich jetzt noch, dass ich nichts vom Kaiserschmarrn genommen habe.
Aber ich habe keine Zeit, Susanne auch nicht, wir arbeiten uns kulturpolitisch links am Buffet vorbei zu Brigitte Fürle, über Sigrid Gareis direkt auf die Bundesministerin zu und ha, schon zückt Susanne die Schere und reicht sie weiter an BM Schmied und die schneidet mir begeistert das Kleid vom Leib. Wow!
Nackt wie ich jetzt bin, kontaktet sichs nun schon viel leichter, ich entspanne mich und sie ist wirklich interessiert, ich erzähle über die Firma und dass das alles jetzt ein Ende haben wird und über den Geist, der uns umtreibt und über Kultur und Austausch und die vielen Projekte, die ich noch machen will und dann verheddere ich mich, weil ich noch so viel sagen will, aber es macht nichts, denn schon legt sie ihren Arm um mich und beginnt mich zu küssen. Als ich einen kurzen Blick auf Susanne werfe, sehe ich, dass sie längst in den Armen des Kulturattaches liegt und er sie gerade auf das weiße Sofa niederzieht, auch sie ist nackt. Niemals hätte ich gedacht, dass alles so einfach sein kann. Und Mozart schaut zu und Peter Patzak und Benjamin Heisenberg, obwohl der glaub ich kein Österreicher ist.
Wir wollen gar nicht mehr weg aus der Österreichischen Botschaft, mit den Resten des Büffets können wir mindestens 2-3 WOCHEN überleben, Susanne, der Kulturattaché, BM Schmied und ich. Theoretisch könnten wir die anderen auch einschleusen, wir könnten die Botschaft zur Berliner Spielstätte umfunktionieren. Der Kulturattache und BM Schmied sind erschöpft eingeschlafen, diesen Empfang werden sie lange in außerordentlich guter Erinnerung behalten, die Gäste sind mittlerweile verschwunden, Susanne und ich schlüpfen zufrieden lächelnd wieder in unsere Boat People Outfits, gehen auf die Straße und bestellen ein Taxi.
Dieses Blickeaufsichziehen, da müssen Cleanerkostüme her!
Montag, 8. Februar 2010
ich war schon so glücklich
Sonntag, 7. Februar 2010
Von Jerusalem über Akropolis in die Republik Uzupis
Wir gehen sicher und haben 2 Shirts zurückbehalten, die Rückführung muss gelingen. Was wird sie mit uns machen, wird sie Erleichterung und Erlösung von was oder welcher Schuld auch immer bringen?
Ein Ringelshirt bringen wir zu einer Näherin und lassen es sofort rücknähen. Zuerst versuchen wir es im Supermarkt Jerusalem, erfolglos, wir erwerben zwar litauischen Kräuterschnaps, aber Trikots kann die im Supermarkt angesiedelte Näherin nicht nähen. Falsche Maschine!
In Akropolis, dem nächsten Rieseneinkaufszentrum, haben wir Glück, Inga näht uns das Shirt für 30 Litas, braucht eine Stunde. Am Ende kommt noch ihr Chef Saulus, der Geschäfte machen will mit Germany, schliesslich ist er der Eigentümer von 12 kleineren Nähstuben und in der Krise läuft eben nicht alles so geschmiert.
Das Shirt ist genäht, wir verlassen glücklich Akropolis und fahren zu Alma, Indres 1 1/2 Jahre alter Tochter, die bei den Grosseltern, in der zum Wohnhaus umgebauten ehemaligen Vorstadtdatscha zu Besuch ist. Unser jüngstes Model schläft noch als wir ankommen, also setzen wir uns zuerst zu selbstgemachtem Kirschstreusel und grünem Tee. Es dauert nicht lange und Alma steigt die Wendeltreppe herab, ein grossartiger Auftritt schon jetzt. Als sie Boat People endlich trägt ist der Wonne kein Einhalt mehr zu gebieten, vergnügliches Quietschen und Kreischen, unaufhörliche Ringelspiele durch die Beine der Mama. Auch von uns fällt eine Last. Es scheint zu gelingen, wir sind in der Lage, dem schwierigen Auftrag gerecht zu werden und die Rückführung zeigt sofort Wirkung.
Den Weg zum Taksi rennen wir durch den Schnee und können gar nicht mehr aufhören zu lachen, wir lachen und lachen, weil wir so erleichtert sind, dieser Auftrag ist abgeschlossen, die erste Rückführung ist gelungen, und niemand ist auf die Katze getreten, die dick und weiß wie ein Flocati regungslos im Datschabad liegt.
Everybody has the right to be undestinguished and unknown, sagt die Verfassung der unabhängigen Republik Uzupios. Ich möchte auch für dieses Recht kämpfen, dieses Jahr kaufe ich nichts Neues zum Anziehen.
Abends essen wir vorzüglich im Saint Germain, dem besten Restaurant am Platz zwischen ausländischen Geschäftsleuten, ich hoffe, ich unterscheide mich nicht. Ja, auch die Steinpilzsuppe und die Ente müssen erwähnt werden. Wir stoßen an auf Lisa!
Später beschließen wir, den Film nicht mehr zu drehen, den Film über böse Träume und böses Erwachen, werden aber unversehens von der Kamera doch wieder verführt. Und besessen wie wir sind drehen wir nachts in Schlafanzügen einen Fashionthriller.
Der nächste Morgen bringt uns einen klaren Tag, blauer Himmel und glitzernder Schnee!
Samstag, 6. Februar 2010
Böse Träume
Aber von Anfang an...
Freitag, der 5.02.2010, 8 Uhr, Besuch bei Gina, kennt Ihr schon.Dann:
Nach einem Begrüßungstee mit Indre, unserer Dolmetscherin, starten wir nach Kaunas.
das Auto will nicht aus der Einfahrt, Papa Guesthouse schüttelt den Renovierungsstaub ab und chauffiert uns raus. Er und sein Sohn winken uns lachend hinterher.
Mir hängt noch dieser Traum nach, dass wir nach Kaunas fahren und auf einem Parkplatz lauter Leichen aus unserem Kofferraum holen.
An den Rauhreifwäldern kann ich mich nicht sattsehen.
Sagt mir Sophie und ich filme wieder. Filme alles, unseren litauischen Traum. Ich verkrampfe mich dabei und werde doch die Kamerafrau, filme Elektrobusse und verschneite Landschaft, Reklameschilder und uns. Dann sind wir in Kaunas und fragen an Bushaltestellen und Kiosks, wir fragen Litauerinnen, die Pelzmützen und Ray Ban tragen, Indre chauffiert uns zu Audrone, der Chefin von Omnitexas.
Später nehme ich mir vor von Audrone zu träumen, ich möchte diese Frau sein, diese undurchdringliche Businessperson mit dem Pokerface und der Statuenfigur, die uns von Anfang an durchschaut. Ihre Marketingmanagerin meint, ihre Näherinnen würden uns umbringen, wenn wir nicht so nett wären. Das wollen wir mal sehen und das dürfen wir auch, wir sehen die Produktionstätten und ein weißes Shirt, mit Nadeln zusammengesteckt, wird durch die Förderbänder der Produktion geschleust. Es sieht sehr unschuldig aus zwischen all den identischen, schwarzen Teilen. Die Näherinnen befühlen das Nadelhemd, schütteln den Kopf, lachen. Viel zu kompliziert.
Bei manchen Fragen von Audrone verschlägt es mir die Sprache. Wieviel Teile wollen wir produzieren lassen? Ich blicke hilfesuchend zu Angelika. 2000, sagt sie. Wieviel Budget wir haben? Hilfe! Susanne lässt ihre Kamera sinken und erwidert Audrones Adlerauge. Well, we wait for your offer.
An jedem Ort befinde ich mich auf ähnlich ungesichertem Grund. In den Fabriken wegen der wirtschaftseigenen Verhaltensregeln, ja nicht alles hervorkommen lassen, schon gar nicht die Ziele. Und um das Mahnmal an die Judenermordungen in Kaunas wegen des windgepressten Schnees. Viele Schritte halten, manchmal breche ich ein und ziehe meine Füsse mühsam aus dem Tiefschnee, auch aus Angst frieren zu müssen. Hier unter den Riesenfängen von hilfeschreienden Armen aus abervielen, aneinander gepressten Betonplatten. In den schmucklosen Fabrikeingängen mit den Mutmaßungen auf sich gestellt, was unser Ansinnen auslösen wird - weit und breit keine Lobby (wenn überhaupt nur im Kopf). Wir halten und bleiben in Balance. Unsicher zwar, jedoch mit vielen Ergebnissen und Erkenntnissen.
Freitag, 5. Februar 2010
Gina
Kurzirritation, als sie merkt , dass es nicht um einen rein kommerziellen Grossauftrag geht, aber sie ist offen und sehr interessiert, hat nichts dagegen gefilmt zu werden, und führt uns nach ausführlichem Gespräch in die Produktionsstätten. Riesiges Gelände, 110 Mitarbeiter, Duchchnittsmonatslohn, 250-800 Euro, zu teuer für H&M, das sich nach Produktionsstätten in Fernost zurückzuziehen beginnt, 40 % der Mitarbeiter sind taubstumm. In Vilnius gibt es keine H&M Filiale, da der Markt zu klein ist, man fährt von hier aus nach Polen, um bei H&M einzukaufen. Vilnius war eine der Hauptproduktionsstätten in der UDSSR, die Näherinnen der Fabrik arbeiten hier seit über 30 Jahren, die Fabrik gibt es seit 1952. Gina nimmt den Auftrag an, über Stückpreise verhandeln wir noch, wir lassen 10 der Teile hier, sie verabschiedet sich mit den Worten "I am an artist" und wir sind in business!
Donnerstag, 4. Februar 2010
Warten in Warschau
Susanne, Angelika, Sophie und Herr Nichols.
Hier überlegen wir, wie wir morgen vorgehen.
Sollen wir unser Date mit Omniteksas in Kaunas wahrnehmen? Alle? ODER UNS BESSER AUFSPLITTEN? Bei utenos trikotazas laufen morgen H und M Vertreter auf. Sollen wir uns gleich entschuldigen? Oder bedeutet das eine zu große Störung der Textilbranche?
Die wir ja eigentlich beruhigen wollen?? Wer von uns kann das schaffen? Sophie scheidet aus, sie hat sich mit der Paßnummer disqualifiziert. Wir setzten im Moment auf Herrn Nichols, der ruhig in seinen Unterlagen liest.
Die Ware haben wir tadellos über den Zoll gebracht, obwohl die Nadeln als potentielle terroristische Werkzeuge ziemlich gecheckt wurden und natürlich die 2 Kameras, mit denen wir ausgestattet sind. Herr Nichols samt GPS ist unverzichtbarer guter Geist unserer Reise. Apropos in Kaunas gibt es ein Teufelsmuseum, ganz zu schweigen davon, dass wie wir gestern abend von Herrn Schwarz erfahren haben, dort 1 000 nach Kaunas deportierte Münchner Juden ermordet wurden. Was werden wir von Kaunas wieder nach München mitnehmen fragen sich Susanne, Sophie, Angelika und Hr. Nichols besorgt.
Hat unser Wirken schon angefangen? Müssen wir zielgerichteter agieren? Hinter uns auf dem Flatscreen scheint es so, als wäre Donald Tusk zurückgetreten, damit haben wir nichts zu tun! Wir streiten jedenfalls alles ab.
Draußen polnischer Winter, die Landebahnen glänzen im Schnee. Schön war auch der Sonnenaufgang, jetzt nur noch die Kamera in Gang kriegen, und dann läuft die Sache.
Mittwoch, 3. Februar 2010
Nach Vilnius! Nach Vilnius!
Mein Herz
Liebe Post!
Textilnachrichten aus Litauen III
Die Leute von untenos trikotazas haben am Freitag keine zeit weil sie – Stellt Euch vor! – ein Treffen mit den Leuten von H&M haben.
Omniteksas arbeitet auch für H&M, sie sind etwas kleiner als U.T., aber das ist vielleicht grade gut. Ich habe mit Audrone schon telefoniert, wir sind am Freitag um 11 verabredet oder zwölf wenn wirs nicht vorher schaffen. Es liegt wohl viel Schnee.
Sie ist eine sehr innovative Frau, hat Geminidas mir versichert, und sie freut sich auf uns. Die Handelskammer hat auch Adressen gefunden, schicken sie heute irgendwann, so haben wir noch was in petto.
Dienstag, 2. Februar 2010
Textilnachrichten aus Litauen II
Die Informationen, welche Näherei für welches Modezeichen näht, sind öffentlich nicht zugänglich. Wir müssten recherchieren und einige Nähereien abtelefonieren. Wir könnten gerne für Sie die Recherche gegen einen Honorar - unser Stundensatz ist 80 EUR zzgl USt. 19% - durchführen. Eine Stunde würde ausreichen.
Montag, 1. Februar 2010
Textilnachrichten aus Litauen
Samstag, 30. Januar 2010
Berlinale und Designerherzblut
Donnerstag, 28. Januar 2010
Wahnsinn Münchner KIGA-Bekanntschaften
Neuer Glanz
Sonntag, 24. Januar 2010
Stand der Dinge Litauenrückführung
Many factories that have H&MVon der schwedischen Kollegin von der H&M_Pressetante noch immer keine Antwort. Das war wohl nur eine Ausrede. Hm, jetzt werde ich wohl die Direktkontakte zur litauischen Handelskammer suchen müssen.
as costumers are proud of this and therefore they brag about this on their
websites
Freitag, 8. Januar 2010
BOAT PEOPLE Auftragsübergabe
Haben heute endlich unseren Auftrag an die Münchner Crew übergeben, und ich muss sagen, ich spüre schon eine gewisse Entlastung. Mal sehen wie's weitergeht. Hier der Inhalt des Auftrags.
Liebe BOAT PEOPLE Ko-Abhängige! Liebe Mitangestellte!
BOAT PEOPLE Ltd ist längst liquidiert, aber der Geist von BOAT PEOPLE geht nach wie vor um, er traktiert uns nach wie vor mit seinen Fantasien von Hipness, Weltläufigkeit, Begehren und Aufbegehren, reflektierter Unfairness als einer höheren Form der Fairness, Revolutionen am Wühltisch, Piraterie und kritischer Affirmation in Warenform, Konsum als ethisch-ästhetischer Aktion und Haltung etc. Da kriegt man doch die Krise.
Wir meinen, dass es auch für uns an der Zeit ist, diesen Geist zu besänftigen und zur Ruhe gelangen zu lassen, jetzt da alle Welt bemüht ist, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Und wir sind zur Überzeugung gelangt, dass wir dazu diesem Geist ein Opfer bringen müssen.
Wir haben daher beschlossen, Euch die Überreste von BOAT PEOPLE zu übergeben mit dem Auftrag, die im Namen von BOAT PEOPLE in die Welt gesetzten Güter und Ideen rituell wieder rückabzuwickeln und ungeschehen zu machen, sie in die immerwährenden herrlichen Kreisläufe menschlichen Lebens und Wirtschaftens einzuspeisen.
Die folgende To Do Liste führt im Detail auf, was diese Rückführung beinhalten muss, wenn Sie funktionieren soll. Nur bei genauester Beachtung sämtlicher Punkte besteht eine Chance auf Erfolg. Das Wie der Ausführung und die effektvolle Füllung von Interpretationsspielräumen legen wir vertrauensvoll in Eure Spezialistinnenhände.
- Trennt die übrig gebliebenen BP-Kollektionsteile in ihre H&M-Grundbestandteile und verwandelt dieselben in die H&M Baby- und Kinderoutfits zurück, aus denen sie gewonnen wurden. (Das Auftrennen kann durch alle Ko-Abhängigen [inklusive Publikum] erfolgen und ist kontinuierlicher Begleiter und Metronom des ganzen Rückführungsrituals. Die aufgetrennten Teile sind nach Herstellungsländern zu ordnen und als gestaltete Rauminstallation / Objekt zwischenzulagern. Die Designerin oder Assistentin der Designerin kann nach Bedarf beauftragt werden, die Einzelteile wieder zu den H&M-Kinderoutfits rückzudesignen).
- Befördert die redesignten H&M-Baby- und Kinderoutfits zur Fertigung an ihre ursprünglichen Produktionsorte zurück. (Achtung: es ist wichtig, die H&M- Produktionsstandorte genau zu eruieren, z.B. durch Anfrage bei H&M oder einer Textilarbeiterorganisation wie Clean Clothes, und die redesignten Teile zur Wiederinstandsetzung möglichst in die Hände der ursprünglichen ArbeiterInnen zu bringen – die Teile müssen den Transport- und Transaktionsweg umgekehrt zurücklegen, wenn das Ganze funktionieren soll. Der Prozess umfasst: Kontaktaufnahme mit ursprünglichen ProduzentInnen, Preisverhandlung für die Arbeit, Organisation und Durchführung des Transports.)
- Gebt die redesignten und in den Produktionsländern in den Urzustand zurückversetzen H&M Kinderklamotten an die Firma H&M zurück. (Idealerweise sollte die H&M Zentrale in Hamburg dazu gebracht werden, die fertig rückproduzierten Sachen wieder in ihr Sortiment aufzunehmen: Die H&M Verantwortlichen müssen gelöchert werden, sich auf diese Weise an der Ruhigstellung des BOAT PEOPLE Geistes zu beteiligen. Die Bearbeitung der H&M Verantwortlichen und deren Dokumentation ist Voraussetzung dafür, die rückproduzierten Teile notfalls in einzelne H&M Filialen zurückschmuggeln zu können).
- Spürt die wenigen verkauften BP-Kollektionsteile auf und integriert sie in den Rückführungsprozess (Erstellen einer Liste der Käuferinnen, Kontaktaufnahme mit diesen, Versuch einer Rückholung der Teile, um sie ebenfalls rückzuproduzieren, oder wenn das nicht gelingt, zumindest eine Weiterverbreitung zu verhindern.)
- Überschreibt die zur BP-Eröffnungsschau im Burgtheater entstandenen Defilés und Szenen (vgl. Premieren-Mitschnitt und Dernieren-Mitschnitt), indem ihr die Abläufe rückwärts spielt.
- Sichtet das im Zusammenhang mit BOAT PEOPLE entstandene Bild- Video- und Klangmaterial und bearbeitet es im Sinn von Übermalungen, Nachbildungen, Re-Mixes, Verzerrungen, Montagen, Umwertungen usw. Ein bloßes Löschen wird jedenfalls nicht genügen. Dazu wird z.T. ein Einholen bzw. eine Mitwirkung von Rechteinhabern wie Georg Soulek, Burgtheater, Robert Lehniger und Wolfgang Schlögl nötig sein.
- Entfernt alle Hinweise auf das Projekt BOAT PEOPLE aus dem Netz, und zwar nicht einfach durch Löschen einzelner Dateien und der Domain, sondern wiederum durch deren Umwertung, so wie ja schon BOAT PEOPLE eine Umwertung der vietnamesischen und afrikan. Bootflüchtlingsschicksale darstellte.
- Fragt bei Betroffenen wie H&M, BP-Newsletterbeziehern, Besuchern der Shows und Messen nach, welche Wirkung BP auf sie gehabt hat, insbesondere inwiefern sie dadurch in irgendeiner Weise verstört oder beleidigt wurden, und entwerft und schaltet eine Reihe von Anzeigen, in denen ihr die Firmenphilosophie von BOAT PEOPLE dekonstruiert und dadurch verursachte Störungen im Gefühlshaushalt oder gar im Konsum- und Produktionsverhalten der Betroffenen rückgängig zu machen versucht. Um die Wirkung zu erhöhen, sind Großeinschaltungen gefragt, für Medienpartner oder Sponsoren gewonnen werden müssen, da es dafür kein Budget gibt.
- Entschädigt die PraktikantInnen, die für BOAT PEOPLE gearbeitet haben, für die Zeit und die wertvollen Ideen, die sie in BOAT PEOPLE gesteckt haben. (Kontaktiert sie, befragt sie zu ihren Gewinnen und Verlusten durch die Mitarbeit, teilt ihnen mit, dass ihre Werke wieder aufgetrennt und zerstört werden, und denkt Euch eine ausgleichende Beschäftigung für jede aus.)
- Vergießt die virtuellen Tränen der Designerin über jedes ihrer zerstörten Werke und besprengt damit die Installation aus den aufgetrennten Teilen.
- Entwickelt und organisiert eine Shopping-Tour für Olivia und ihre Kinder, um sie dafür zu entschädigen, dass sie keinen einzigen Auftrag von BOAT PEOPLE erhalten hat.
- Vollführt einmal die Woche eine freundliche Geste gegenüber einer Verkäuferin in einem H&M Laden, als Wiedergutmachung für die pauschale Verurteilung der H&M Verkäuferinnen als unglücklichste aller Verkäuferinnen. Lasst Euch von ihr bestätigen, dass Eure Geste ihren Tag gerettet hat.
- Durchforstet alle BOAT PEOPLE Dokumente, Verträge und Bilanzen, und überschreibt den Namen BOAT PEOPLE jedes Mal mit einem anderen, schöneren Firmennamen.
- Erklärt was Boat People war, ohne die Begriffe BOAT PEOPLE, Kleidung, Design, Kapitalismus, Label, H&M, Firma zu verwenden.
- Entwickelt ein fünf Minuten dauerndes Ereignis, um zu verhindern, dass irgendjemand dabei an BOAT PEOPLE denkt. Führt es mehrmals am Tag gemeinsam aus und prüft nach, ob es gewirkt hat.
- Arbeitet die Unterschiede zwischen der Abwicklung von BP und der von Arcandor heraus und legt sie präzise und allgemeinverständlich dar.
- Versucht, die Sachbuch-Autorin Kathrin Hartmann ("Ende der Märchenstunde") als Gutachterin für die Öko-, Klima-, Industrieunabhängigkeits-, Sozial- und Stilbilanz Eures Vorhabens zu gewinnen.
- Bereitet einen Abend vor, in dem ihr möglichst viele der abzuarbeitenden Aufgaben ausführt bzw. den Stand der Abarbeitung dieser Aufgaben dokumentiert oder darüber berichtet. (Messt euren Arbeitsfortschritt indem ihr etwa die aufgetrennten und rückgeführten Outfits zählt. Bewertet den Grad Eurer Loslösung von BOAT PEOPLE, was ihr geschafft habt und noch zu schaffen hofft, was vielleicht falsch gelaufen ist, was ihr anders hättet machen sollen, wie lange es noch dauern wird, ob die gewünschte Wirkung einer Aufgabe nicht auch anders zu erreichen wäre, findet Parallelen zu Eurer Tätigkeit in der Theaterliteratur und spannt sie für Eure Zwecke ein, spannt das Publikum für Eure Zwecke ein, hört in Euch hinein, wie sehr ihr noch vom Geist von BOAT PEOPLE beherrscht werdet. Sorgt unbedingt dafür, dass der Abend nicht langweilt.)
- Führt den ganzen Prozess so lange öffentlich durch, bis er von gleich vielen Leuten gesehen wurde wie die Einführung von BOAT PEOPLE.
Wir verlassen uns auf Euch, die verfolgten Firmengründer.